4. OSCAR AFTER-WORK MEETUP "SmarT Living"

Digitalisierte Anwendungen für den privaten Haushalt eröffnen grundlegend neue Möglichkeiten für das Zuhause und die Nachbarschaft. Durch die Bundesförderung für effiziente Gebäude hat Deutschland einen Aufschwung auf dem schnell wachsenden Smart-Living-Markt erlebt. Dadurch entstehen Chancen und Herausforderungen im Bereich Fachkräftesicherung, sowie Anreize für Innovationen im Themenfeld smartes Wohnen. Besonders ältere oder chronisch kranke Personen können von geeigneten Smart-Living Anwendungen profitieren, die ihnen ein selbstbestimmtes Wohnen ermöglichen. Auch bei der Kommunikation unter Nachbar*innen oder einem koordinierten Energiemanagement sind vernetzungsfähige Komponenten im Haushalt vorteilhaft.

Am 17. März 2021 diskutierten unsere Expert*innen „Intelligentes Wohnen im digitalen Zuhause“, sowie andere relevante Themen im Bereich „Smart Living“:

  • Stephan Albani, Mitglied des Bundestages, Obmann im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, Stellvertretender Vorsitzender im CDU-Kreisverband Ammerland
  • Ingeborg Esser, Leiterin des Strategiekreises der Bundeswirtschaftsinitiative Smart Living, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. (GdW)
  • Thorsten Janßen, Direktor des Bundestechnologiezentrums für Elektro- und Informationstechnologie (BfE e.V.)
  • Sebastian Seger, New Work Berater bei der Walther Schumacher GmbH
  • Moderation: Matthias Brucke, Gründer und Inhaber embeteco GmbH & Co. KG

Die Relevanz der Digitalisierung von Anwendungen für den privaten Haushalt ist spätestens seit der Corona-Pandemie so deutlich wie nie zuvor. Auch aus wirtschaftlicher Perspektive bietet der deutsche Smart-Home-Markt, dem im Jahr 2021 ein Umsatz von etwa 5.464 Mio. € prognostiziert wird, viele Möglichkeiten. Laut Prognose wird das Marktvolumen bis 2025 auf 8.540 Mio. € anwachsen; dies entspricht einem erwarteten jährlichen Umsatzwachstum von 11,81% (CAGR 2021-2025).

Gemeinsam diskutierten die Runde über die Chancen und Herausforderungen, die der Zukunftsmarkt mit sich bringt. Roland Hentschel (OLEC Vorstandsvorsitzender | Fachdienstleiter Regionalentwicklung Stadt Oldenburg) gab zum Auftakt einen Überblick über die Anwendungsbereiche smarter Techniken in privaten Haushalten. Dazu gehören unter anderem die Gebäudesicherheit, persönlicher Komfort und die Energieeffizienz. Herr Hentschel betonte jedoch, dass „Smart-Living“ mehr als nur „Smart-Home“ sei und auch in Bereichen wie der Telemedizin oder in energetischen Nachbarschaften und Quartieren, wie dem Helleheide Quartier Oldenburg, nicht wegzudenken wäre. Frau Ingeborg Esser ging insbesondere auf die „Herausforderungen im Gebäudebestand“ ein und merkte an, dass hierbei nicht der Bau moderner Gebäude, sondern der effiziente Gebäudebetrieb im Vordergrund stehe. Durch smarte Anwendungen sind Gebäude in der Lage sich autonom zu steuern, das ist besonders im energetischen Bereich interessant – wenn es beispielsweise darum geht, die Fenster zu schließen, die Heizung herunterzudrehen oder die Lüftung abzuschalten. Besonders in Mehrfamilienhäusern ist eine Vernetzung der einzelnen Wohnungen über digitale Anwendungen von Vorteil, um Energie einzusparen.

Trotz des schnell wachsenden Marktes und der vielen Vorteile der smarten Anwendungen für private Gebäude, lehnen viele potenzielle Nutzer*innen diese Techniken in ihrem Zuhause ab. Stephan Albani wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Skepsis der Bürger*innen gegenüber Smart-Living -Angeboten verwunderlich sei, da man sich an anderer Stelle, wie zum Beispiel im privaten PKW, schon vollständig auf die eingebaute Künstliche Intelligenz (KI) verlasse. Roland Hentschel benannte in seiner Einführung die drei Hauptgründe der Ablehnung von Smart-Living-Applikationen wie folgt: 1. Vermutete hohe Kosten 2. Unsicherheit im Bereich Datenschutz und 3. Inkompatibilität zwischen verschiedenen Herstellern.

Frau Esser wies auf die Frage, ob eine Automatisierung von Gebäuden kostengünstig wäre, erneut darauf hin, wie wichtig in diesem Zusammenhang der effiziente Betrieb technischer Anwendungen im Haushalt sei: Eine neue Heizungsanlage sei bei falscher Nutzung nicht viel energieeffizienter als ein älteres Modell. Viele Nutzer*innen verhielten sich in diesem Zusammenhang falsch, eine automatisierte Heizungseinstellung, mit möglicher Selbsteinstellung der Bewohner*innen, sei für die Langlebigkeit der Gebäude optimal und kostengünstig.

Im Bereich Datenschutz sei Deutschland laut Stephan Albani etwas „schwerfällig“. Er gab zu bedenken, dass ein Smart-Home Informationen über die Nutzer*innen sammeln müsse, um angemessen funktionieren zu können. Der Datenschutz als wichtige Regelgrundlage stehe der technischen Entwicklung teilweise im Wege. Gerade in der Pandemie sei deutlich geworden, dass Regeln aus der Vergangenheit an die Gegenwart anpasst und gegebenenfalls verändert werden sollten, ohne dabei die Datensicherheit der Bürger:innen zu gefährden. Man müsse hierzulande „realistischer“ mit den Daten umgehen und sich an Systemen, wie dem in Estland orientieren, dass den Bürger:innen individuelle Kontrolle über ihre persönlichen Daten verspricht. 

Als weitere Gründe der Ablehnung, nannten die Referent*innen den Informations- und Aufklärungsbedarf hinsichtlich der neuen Technologien. Sebastian Seger merkte dazu an: „Was brauchen die Leute? Das wissen sie meistens gar nicht, weil sie nicht wissen, was es alles gibt.“ Um den Verbraucher*innen Smart-Living-Anwendungen näher zu bringen, müsse der Mehrwert im privaten Kontext erkennbar sein.

Die Automatisierung von Anwendungen ist von Nutzer:innen erwünscht, wenn diese unauffällig ist. Selbstverständlich ist Bildung und Weiterbildung in diesem Fall unerlässlich. Stephan Albani erläuterte hierzu, dass die Akzeptanz technischer Lösungen höher sei, wenn nicht davon ausgegangen werde was technisch möglich ist, sondern was die Nutzer*innen verlangten. Das System muss auf die Anwender*innen eingestellt sein und nicht andersherum., so Albani.

Auch in der Fachwelt Smart-Living ist das Thema Weiterbildung sehr wichtig. Thorsten Janßen gab Einblick in den Alltag und Werdegang von Systemelektroniker*innen, welche für die Installation und die Wartung von smarten Anwendungen im Haushalt zuständig sind. Als Systemelektriker*in gehe es nicht mehr darum wo die Steckdosen sind, sondern um das Verhalten der Nutzer*innen und die Fähigkeit des Systems sich an dieses Verhalten anzupassen und es zu optimieren. „Die Komplexität der Systeme ist sehr hoch. Systemelektroniker brauchen großes Fachwissen und müssen sich stetig weiterbilden, um immer up to date zu bleiben.“, so Janßen.

Damit der deutsche Smart-Living-Markt in Zukunft so weiterwächst wie erhofft, ist eine Zusammenarbeit verschiedenster Unternehmen und Forschungseinrichtungen, sowie die Schaffung adäquater politischer Rahmenbedingungen unerlässlich. Stephan Albani merkte dazu an, wie wichtig die Förderung „neuer“ Technologien von Seiten der Politik sei. Dazu gehöre nicht nur die Bereitstellung von Geldern, sondern auch die Diskussion und Schaffung juristischer Rahmenbedingungen. Am wichtigsten sei es jedoch die Nutzer*innen für die neuen Technologien zu begeistern und ihnen die vielfältigen Vorteile der smarten Anwendungen näherzubringen: „Das ist Leben wie ein König, aber ohne das Personalbudget“

Ansprechpartner

Georg Blum
Clustermanager Innovationsprojekte & Mitgliederbetreuung